Einige überlegungen zur kunst von Adem Genç

Die Künstler, die sich vor jeder die plastischen Ausdrucksmöglichkeiten einschraenkenden Situation hüten, sowie davor, Gefahr zu laufen, der rohen, ungeschliffenen Schönheit des Natürlichen zu verfallen öder andere ihr zuzuführen, bevorzugen es, abstrakte Formen zu benutzen anstatt von Formen, die konkrete Assoziierungen hervorrufen würden. Vielmehr als das, was dargestellt wird, gelten die Art und Weise wie auch die Mittel der Darstellung. Dies ist die Haltung, die die Sprache und die Form beim Künstler bestimmt und sie originell werden laesst.

Für den Künstler sind die Erlebnisse auf dem Weg des Lernens, des Verstehens und des Entdeckens viel wichtiger als das Mitteilen, Lehren und Verstandenwerden. Das Vergnügen, das aus dem Abenteuer des Schaffensprozesses entsteht, und die empfundene Aufregung sind die bedeutendsten Stimuli bei der Herstellung von Kunst. Dadurch dass sie sich nicht mit dem natürlichen Aussehen des Objektes begnügen, bemühen sich besonders die abstrakten Maler, nicht so sehr die Schönheit des Natürlichen zu verstehen und zu entdecken, sondern die Verhaeltnisse, die es schön aussehen lassen sowie die Normen der Beziehungen zum Schönen. Deshalb gleichen die Künstler nicht den dem Zauber des Schönen verfallenden Amateuren. Sie betinden sich jenseits des Gegenstandes bzw. des Gesehenen und “binden sich selbst an das Objekt”. Dies bedeutet, dass sie geistig die Normen, wovon die Beziehungen unter den Gegenstaenden abhaengen, vom Neuen gestalten und sie damit der Logik des visuellen Denkens gemaess in die plastische Sprache “übertragen

  1. Kurz gesagt, sie abstrahieren. Deshalb waere es falsch, den Akt des Abstrahierens durch eine formelle Spannung und einem übertriebenen Enthusiasmus zu erklaeren zu versuchen. Zweifelsohne nimmt im künstlerischen Prozess, der zum Entdeckungsabenteuer mehr geneigt ist als zum Ausdrucksakt, die Intuition eine wichtige Position ein -dies stimmt übrigens auch in der Wissenschaft – aber hinter dieser Intuition befindet sich eine reiche Erfahrung, die auf lange Beobachtungen, Analysen, Forschungen und Experimenten beruht. Diese Erfahrung verdankt ihr Dasein einer praezisen Intelligenz und einer aesthetischen Emotion. Kandinski, der den kreativen Geist als den abstrahierenden Geist definierte, wollte dadurch betonen, dass aus der Perspektive der Ausdruckskraft die abstrakten Formen beeindruckender wirken als die natürlichen Formen. Ein Beispiel: Kein Foto kann so vor Schmerzen weinen wie Picassos Weinende Frau. Öder man kann behaupten, dass kein Kriegsfoto die Kunstdimension überschreitend so eine politische Wirkung gehabt hat wie Guernica. Gleich welches Thema er sich auch vornimmt, Adem GENÇ verwendet die abstrakte Ausdruckskraft. Der abstrakte öder abstrahierende Ausdruck ist kein reines Formmittel; es bildet das Ergebnis, zu dem Adem GENÇ aus einer auf reichen Experimenten beruhenden Erfahrung gelangt ist. Adem GENÇ verwendet in seiner abstrahierenden Ausdrucksweise nicht nur die chromatische Kraft der Farbe in ihrer vollen Wirkung, um dem Gemaelde einen dynamischen Raum zu verschaffen, sondern vielmehr auch die plastischen Möglichkeiten der Substanz der Farbe überhaupt. Adem GENÇ, der uns die Spuren einer Maltradition wahrnehmen laesst, wo die Eindrücke des Pinsels spürbar sind, ist ein Künstler, der faehig ist, sozusagen “auf einem alten Instrument eine neue Melodie ” zu spielen, genauso wie die deutschen Expressionisten aus der traditionnellen Holzdrucktechnik eine neue Kunstsprache gebildet haben…Solange die Farbe nicht zu einem strukturbildenden Element wird, fungiert sie nur als dekoratives Element, womit eine Form öder eine Flaeche bedeckt wird. Bei Adem GENÇ aber wirkt die Farbe der Bilder als ein lebendiger Malorganismus. Die raeumlichen Formen aus Farben innerhalb eines aus Farbkontrastierungen entstandenen Planes gelangen bis zu einer monumentalen Wirkung und zwar derjenigen von “Farbstatuen”. Bei dem Punkt, wo das Abstrakte und das Konkrete sich gegenseitig schneiden, -also in einem Konkreten, das im Abstrakten sich vereinigt – lassen diese Formen einem fühlen, dass sie fest mit dem Leben verbunden sind und lebendig und dass sie aus der subjektiven und objektiven Kenntnis und Infragestellung der eigenen Welt des Künstlers entspringen. Die Intensitaet der Aktion/Reaktion-Beziehung zwischen Subjekt und Objekt reflektiert sich im Kunstwerk und laesst dem Zuschauer fühlen, ob es sich um Erlebtes handelt öder nicht. Könnte man eigentlich nicht behaupten, dass Kunst “die Objektwerdung des Menschen im Schaffensprozess sei.d.h. dass einerseits der Mensch zum Objekt andererseits das Objekt personifiziert” wird ? Die Kunstsprache Adems erklaert nicht, ihr Merkmal besteht darin, dass sie fühlen laesst bzw.suggeriert. Waehrend er bemüht ist, aus der eigenen Perspektive die Welt zu verstehen, egal aus welchem Blickpunkt, versucht er auch seine Eindrücke durch die Sprache der Malerei neu zu formulieren, indem er sich auf die Wechselwirkungen zwischen dem Objekt und sich selbst beruft. Übrigens soll es keine Bemühung von Seiten des Künstlers geben, die Objekte erklaeren zu wollen. Diejenigen, die beim Betrachten eines Kunstwerks eine Geschichte zu lesen versuchen, sprechen eigentlich ihre eigenen Konflikte aus: Einerseits hegen sie grosse Hoffnungen was die Kreativitaet des Künstlers betrifft, andererseits möchten sie die Verwirklichung des Satzes “Gib mir, was ich verstehen will!” erleben. Dem Wesen des individuellen Denkens gemaess gilt seit der Romantik ja sogar seit dem Barock als Haltung des Künstlers “die Kunst ist nicht das, was du von mir willst, sondern das, was ich dir biete” und waere der Künstler in Harmonie mit dem Existierenden, so haette es keinen Sinn mehr, sich mit der Natur in eine Auseinandersetzung einzulassen. Die Bedeutung dieses individuellen Denkens besteht im Willen, den der Künstler als ein auf den menschlichen Verstand vertrauendes und Entscheidungen treffendes Wesen besitzt, seine aesthetische Auffassung aufzuzwingen. Was hier wichtig erscheint, ist anstatt der allgemein gültigen aesthetischen Werten das Zustandekommen von aestetischen Werten, die den Stempel des individuellen Genies tragen. Ein gewaltiges “Ich”-Gefühl traegt diese Psychologie. Dieses “Ich”-Gefühl ist nichts anderes als das Selbstvertrauen des Künstlers ,das aus dem Stolz, die Natur zu kennen, entsteht; denn innerhalb des Entdeckungsprozesses der Natur, der genaue Beobachtung und Forschung verlangt,entdeckt der Künstler seine eigene Welt ,indem er durch Intuition die objektive Welt wahrnimmt. Mit solchen Gefühlen versucht der Künstler, der sich nicht mit der verwickelten Ordnung der “spontanen” Natur zufrieden gibt, sie zu veraendern und seine eigenen aesthetischen Bilder den Kunstgesetzen gemaess in eine plastische Sprache zu übertragen. Genau das macht Adem GENÇ.

Man darf nicht erwarten, dass diejenigen, die eine Aehnlichkeit zwischen dem Kunstwerk und dem Thema suchen, die Gemaelde Adems verstehen werden. Können denn diejenigen, die eine Übereinstimmung zwischen dem Kunstwerk und dem Bewegungspunkt des Künstlers suchen, eine Aehnlichkeit zwischen dem Papier und seinem Rohstoff,dem Baum feststellen? Der Künstler muss vor dem Gegenstand öder vor der Natur eine philosophische Haltung einnehmen und zwar waehlen und ordnen, aber nicht imitieren.

“Die Kunst heisst, durch den Geist, der es versteht, dem Leben die interessantesten und schönsten Formen zu verleihen… Ein Künstler, der versucht das ganze Leben kunst werden zu lassen, muss ein universaler Despot, ein universales Genieja Gcethe, Newton und Alexander in einem sein.”(*) Der Künstler muss so sensibel wie ein Lyriker, so entschlossen wie ein Befehlshaber und ein so genauer Beobachter wie ein Wissenschaftler sein. Wie kann ein Mensch schöpferisch sein, wenn er nicht faehig ist zu sagen :”So denke ich, ich will und ich tue”?(**) Zafer GENÇAYDIN

(*) Irwen,Edmen/Sanat ve İnsan, MEB Yayınları, İstanbul, l 191, S.12-13 (**) Ins Deutsche übersetzt von Gertrude Durusoy

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